Vorfälligkeitsentschädigung
Die Vorfälligkeitsentschädigung kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem die Lobbyarbeit der Banken erfolgreich war und das lebenslange Widerrufsrecht der Kreditnehmer bei falschen Widerrufsbelehrungen gekippt wurde, kommt den klassischen Betrachtungen bei einer vorzeitigen Kreditauflösung wieder mehr Gewicht zu.
- Für die Vorfälligkeitsentschädigung bei Ratenkrediten gibt es klare Vorschriften: 0,5% der Restschuld bei einer Restlaufzeit von bis zu 12 Monaten und 1% bei einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten.
- Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei Baufinanzierungen gibt es keine einheitliche Vorgabe. Die Methoden sind für Verbraucher oft nur schwer nachzuvollziehen und die errechnete Gebühr fällt oft höher aus als nötig.
- Vorfälligkeitsentschädigungen sind grundsätzlich rechtmäßig und geben der Bank Sicherheit gegen Zinszahlungsausfälle.
- Verbraucherberatungen gehen von bis zu 40 Prozent falsch kalkulierter Gebühren aus, weshalb sich eine Überprüfung für den Darlehensnehmer empfiehlt.
- Da Vorfälligkeitsentschädigungen mitunter einen hohen Betrag ausmachen können, stellt sich die Frage bei einer Umschuldung, ob der neue Kredit wirklich immer günstiger ist. Unser Umschuldungsrechner hilft dabei und zeigt außerdem, welcher Anbieter Ihnen einen günstigen Kredit geben kann.
Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei Ratenkrediten
Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei Ratenkrediten gibt es in Deutschland klare Vorgaben, die gesetzlich bestimmt sind. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung wird hier folgendermaßen ermittelt:
- Bei einer Restlaufzeit von bis zu 12 Monaten mit 0,5 Prozent der Restschuld
- Bei einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten mit 1,0 Prozent der Restschuld
Die Verbraucherberatungen gehen aber von bis zu 40 Prozent falsch kalkulierter Strafzinsen zum Nachteil der Darlehensnehmer aus, wie die Verbraucherzentrale Hamburg ermittelte. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die Berechnung der Bank zu hinterfragen und zu prüfen, ob das Institut nicht doch getrickst bzw. unfaire Berechnungsmethoden angesetzt hat.
Einige Kreditinsitute verzichten hingegen gänzlich auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Schauen Sie sich dazu die Kreditangebote aus unserem Vergleich im Detail an und erfahren Sie, unter welchen Bedingungen Sondertilgung und vorzeitige Kreditablösen möglich sind.
Im Falle einer Umschuldung sollte also nicht nur auf die Zinsen des alten und neuen Kredits geachtet werden. Es stellt sich außerdem die Frage, ob eine Umschuldung auch unter Berücksichtigung einer eventuellen Vorfälligkeitsentschädigung immer noch güntiger ist. Im nachfolgenden Rechner können Sie überprüfen, ob sich eine Umschuldung für Sie lohnt und welcher Anbieter Ihnen ein günstiges Angebot machen kann.
Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei Baufinanzierungen
Bei Baufinanzierungen hingegen ist die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht einheitlich geregelt und für einen Laien oft schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Das im Dezember 2015 verabschiedete Wohnimmobiliengesetz sieht leider keine, von den Verbraucherschützern massiv geforderte, gesetzliche Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung vor. Viele Anbieter wenden zur Ermittlung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung die „Aktiv-Passiv-Methode“ an, bei der Pauschalen angesetzt werden. Die Zulässigkeit zur Anwendung dieser Methode ist zumindest für Verträge, die vor dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden, vom BGH bestätigt worden.
Auch bei Baufinanzierungen ist die Vorfälligkeitsentschädigung kein unfairer Passus im Kreditvertrag. Sie gibt der Bank Sicherheit, wie sie auch der Kreditnehmer erwartet. Dennoch ergab eine Studie der Finanzmarktwächter bei der Verbraucherzentrale Bremen, dass viele Anbieter im Schnitt knapp über zehn Prozent der noch offenen Restschuld als Vorfälligkeitsentschädigung gefordert haben, wenn es zu einer vorzeitigen Rückzahlung der Baufinanzierung kam. Für 77 Prozent der untersuchten Anbieterberechnungen ermittelten die Marktwächter nach eigener Berechnung eine niedrigere Entschädigung, als vom jeweiligen Anbieter gefordert. Konkret lag die ermittelte Entschädigung durchschnittlich um fünf Prozent unter der des Anbieters.
Der Teamleiter Immobilienfinanzierung beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Bremen, Philipp Rehberg, sagt dazu: „Ein Großteil dieser Abweichungen ist darauf zurückzuführen, dass die pauschalen Abzüge der Anbieter für entfallende Risiko- und Verwaltungskosten nach unserer Meinung zu niedrig angesetzt sind.“.
Außerdem würden nicht wenige Anbieter das BGH-Urteil von 2016 ignorieren, das die schadensmindernde Berücksichtigung vertraglicher Tilgungsrechte bei der Vofälligkeitsberechnung beinhaltet. „In mindestens acht Prozent der untersuchten Fälle wurden die vertraglichen Sondertilgungsrechte nicht berücksichtigt oder die laufende Tilgung zu niedrig angesetzt“, so Rehberg weiter.
Wer einen Kredit vorzeitig ablösen möchte, um vom aktuellen Zinsniveau zu profitieren, sollte sich daher unbedingt nach der konkreten Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung erkundigen und das ergebnis gegebenenfalls gegenprüfen lassen. Für die Suche nach einem neuen Finanzierungsangebot sollten unbedingt verschiedene Angebote geprüft werden, anstatt sich lediglich mit dem Gang zur Hausbank zufrieden geben. Auf unseren Seiten finden Sie Details zu den Bedingungen für Sondertilgungen und Vorfälligkeiten:
Baufinanzierung
Fünf Tricks der Banken bei der Vorfälligkeitsentschädigung
Trick 1: Der fiktive, nicht der tatsächliche Schaden wird unterstellt
Die Bank argumentiert, dass die plötzlich frei gewordenen Gelder nun in Pfandbriefe investiert würden. Diese rentieren deutlich unter den Zinsen von Krediten. Tatsache ist aber, dass die zurückgeflossenen Gelder wieder an Kunden ausgereicht werden.
Fakt ist auch, dass die Banken absolut detailliert aufführen, wie hoch der Schaden durch das Investment in Pfandbriefe ausfällt, allerdings besteht kein Zwang, die tatsächliche Mittelverwendung der vorzeitig zurückgeflossenen Gelder nachzuweisen.
Professor Udo Reifner, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg, kritisiert massiv, dass die Banken nicht den tatsächlichen Schaden nachweisen müssen (Impulse, März 2015). Genau dieses verlangt nämlich die EU-Ratenkreditverbraucherrichtlinie für Ratenkredite.
Bedauerlicherweise gilt immer noch die Rechtsprechung des BGH, welche die pauschale Kalkulation erlaubt (Urteil des BGH vom 30. November 2004 – Az. XI ZR 285/03).
Trick 2: Kreditnachfolger wird abgelehnt
Es wäre natürlich eine Option, wenn im Rahmen eines Verkaufs einer Immobilie der Käufer einfach in den Kreditvertrag des Verkäufers einsteigt. In diesem Fall würde keine Vorfälligkeitsentschädigung anfallen, da das bestehende Darlehen ja weiter bedient wird.
Für die Bank ist diese Lösung allerdings weniger lukrativ. Vor diesem Hintergrund kann es vorkommen, dass das Institut den Erwerber als Kunden ablehnt. Dies ist jedoch nur möglich, wenn das Institut einen möglichen Zahlungsausfall unterstellen kann (LG München, Az.: 16 HK O 22814/05).
Es gab auch schon den Fall, dass eine Bank den Käufer im Vorfeld als Kunden ablehnte. Unsauber wird es allerdings, wenn sie ihm dann nach Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung durch den Verkäufer im Nachgang doch ein Angebot unterbreitet, so geschehen in Frankfurt am Main (Impulse, März 2015).
Nimmt der Käufer bei der Bank ein neues Darlehen auf, kann die Bank auf keinen Fall argumentieren, dass sie einen Zinsverlust durch eine Anlage der freien Gelder in Pfandbriefe erleidet. In diesem Fall muss der entgangene Zins den Zinseinnahmen durch das neue Darlehen gegenübergestellt werden. Der Zinsverlust fällt deutlich geringer aus, die Vorfälligkeitsentschädigung kann also nicht in voller Höhe in Anrechnung gebracht werden.
Für Käufer und Verkäufer bedeutet dies, dass das Thema Vorfälligkeitsentschädigung Bestandteil des Verkaufsgesprächs sein sollte. Auf der sicheren Seite sind beide, wenn der Käufer vor Vertragsschluss zur Bank des Käufers geht und sich im Vorfeld bereits eine Kreditzusage holt – die Bank kann davon nicht mehr zurücktreten.
Mit unserem Rechner-Tool ermitteln Sie bequem und einfach die Vorfälligkeitsentschädigung, die Sie Ihrem Kreditinstitut zu bezahlen hätten.
Trick 3: Falscher Abrechnungstermin
Das Kreditinstitut hat einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ab dem Tag, an dem das Geld wieder an die Bank zurückfließt. Wird die Höhe der Zahlung am 1. Oktober kalkuliert, der Kunde überweist allerdings erst am 15. Dezember den offenen Darlehensbetrag, muss neu berechnet werden. Grund ist, dass für die Zeit vom 1. Oktober bis 15. Dezember ordnungsgemäß noch reguläre Zinsen gezahlt wurden.
Das Amtsgericht München (Az.: 262 C 15455/ 13) gab bei einem solchen Fall einem Ehepaar recht, die Bank musste 4.687,35 Euro an zu viel gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen. In diesem Fall kam erschwerend hinzu, dass die Zinsen vom Zeitpunkt der Berechnung bis zur Rückführung der Restschuld angezogen hatten, der Verlust der Bank also noch niedriger ausfiel.
Trick 4: Optionale Sondertilgung wird nicht berücksichtigt
Es ist heute durchaus üblich, dass eine Baufinanzierung dem Kreditnehmer das Recht auf Sondertilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung zugesteht. In der Regel lautet der Passus „einmal jährlich bis zu zehn Prozent der Restschuld“.
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung „vergessen“ Banken allerdings nur zu gerne, diese potentielle Minderung der Zinseinnahmen durch eine optionale Ausübung des Sondertilgungsrechtes zu berücksichtigen.
Die Geldhäuser müssen aber, auch wenn in der Vergangenheit keine Sondertilgung ausgeübt wurde, diese bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigen.
Hätte der Kunde, wäre das Darlehen ….. und der Gewinn der Banken wäre eben niedriger gewesen. Wer schneller tilgt, muss in der Zukunft weniger Zinsen bezahlen – diesen Sachverhalt müssen die Banken in die Berechnung einfließen lassen.
Dazu ein Rechenexempel: Bei einem Darlehen über 300.000 Euro mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren, einem Zinssatz von vier Prozent pro Jahr und fünf Prozent Sondertilgung pro Jahr macht die Vorfälligkeitsentschädigung ohne Berücksichtigung der Sondertilgung 48.400 Euro aus.
Mit Berücksichtigung der Sondertilgung beträgt sie allerdings nur noch 36.600 Euro. Es lohnt sich also auf jeden Fall, zu überprüfen, ob das Institut hier sauber gerechnet hat.
Trick 5: Das Forward-Darlehen
Gegen ein Forward-Darlehen ist nichts einzuwenden. Zeichnet sich ein Zinsanstieg ab, lohnt sich ein solches Darlehen auf jeden Fall, um sich auch in Zukunft die günstigen aktuellen Zinsen zu sichern. Der Haken bei einem Forward-Darlehen liegt allerdings darin, dass der Kreditnehmer es auf jeden Fall abnehmen muss.
Dies gilt auch dann, wenn der Zins zu Beginn des neuen Darlehens unter dem Zinssatz liegt, der seinerzeit festgeschrieben wurde. Tritt er vom Darlehen zurück, muss er eine Nicht-Abnahmeentschädigung zahlen.
Auch wenn das Forward-Darlehen eigentlich Zinsrisiken senken soll, laufen Bauherren Gefahr, dass sie bei sinkenden Zinsen ein teureres Darlehen abnehmen müssen. Aktuell, Stand Februar 2016, sind Forward-Darlehen mit Skepsis zu betrachten und der wohlwollende Ratschlag des Bankberaters ebenfalls. Die EZB-Politik zielt (noch) nicht auf steigende Zinsen ab.
Wann Darlehensnehmer ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündigen können
Der sogenannte Widerrufsjoker, die Chance, aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine Baufinanzierung auflösen zu können, gehört weitestgehend der Vergangenheit an.
Was bleibt, ist nur die Möglichkeit, bei Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren Zinsbindung vorzeitig den Vertrag aufzulösen. Bei dieser Zinsbindungsdauer kann der Kreditnehmer den Vertrag nach zehn Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündigen (BGB, § 489).
Zusammenfassung zur Vorfälligkeitsentschädigung
Nachfolgend finden Sie zusammengefasst aufbereitet, wann eine Vorfälligkeitsentschädigung erhoben werden darf und wann nicht und wie die Vorgaben zur maximalen Höhe aussehen.
Wichtige Urteile
Zukünftige Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung müssen Banken die zukünftigen Sondertilgungsrechte des Kunden berücksichtigen und diese vom Zinsschaden abziehen. Der Kunde ist also so zu stellen, als ob er seine Sondertilgungsrechte in vollem Umfang ausgeübt hätte. Enthält der Kreditvertrag eine anderslautende Klausel, so ist diese unwirksam. Zu dieser Entscheidung kam der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem unter dem Aktenzeichen XI ZR 388/14 veröffentlichten Urteil.
Die Begründung der Richter: der Schaden der Bank ist „lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung ersatzfähig“. Und genau bei dieser Zinserwartung müssen die vereinbarten Sondertilgungsrechte berücksichtigt werden. Würden sie nicht berücksichtigt werden, würden Verbraucher benachteiligt werden und die Banken erhielten zu hohe Kompensationszahlungen.
Fazit
Der Fantasie der Banken, bei einer vorzeitigen Kündigung der Baufinanzierung noch ein wenig Hinzuverdienst zu erwirtschaften, scheint keine Grenze gesetzt zu sein.
Betroffene Kreditnehmer sind daher gut beraten, die Vorfälligkeitsentschädigung durch Fachleute, beispielsweise bei der Verbraucherberatung gegenrechnen zu lassen. Einsparungen in vierstelliger Höhe sind keine Seltenheit.