Supply Chain Finance – Lieferantenfinanzierung
Für einen möglichst komplikationslosen Ablauf in der Lieferkette sind viele Kunden bereit, hohe Summen zu investieren. Das Prinzip von Supply Chain Finance (Lieferantenfinanzierung) kann dabei helfen, Kapital freizusetzen und Zulieferer an sich zu binden. In diesem Ratgeber wird unter anderem erklärt, wie Supply Chain Finance funktioniert und welche Anbieter es gibt.
- Supply Chain Fiannce ist eine Form der Unternehmensfinanzierung.
- Lieferanten können mittels Supply Chain Finance schnell und preiswert mit Liquidität versorgt werden.
- Diese Finanzierungsmöglichkeit erfuhr durch die Coronakrise einen Aufschwung, da es ein geeignetes Finanzierungsinstrument bei knapper Liquidität ist.
- Die offene Forderung gegen den Käufer wird von einem Finanzierer angekauft und beglichen.
- Der Lieferant erhält sofort den abgezinsten Kaufpreis und ist somit nicht auf einen Kredit oder eine eingeräumte Kontoüberziehung zur Zwischenfinanzierung angewiesen.
- Auch für den Käufer wird der Zinsaufwand reduziert. Er kann seine Zahlungsziele in einer für den Lieferanten akzeptabler Weise verlängern, indem er zum vereinbarten Termin an den Finanzierer bezahlt.
- Über digitale Plattformen läuft der gesamte Prozess größtenteils automatisch ab.
Was ist Supply Chain Finance?
Aus dem Englischen übersetzt bedeutet „Supply Chain“ Lieferkette. Hinter diesem Begriff Supply Chain Finance verbirgt sich ein einfaches und preiswertes Finanzierungsmodell, um Lieferanten schnell zu bezahlen. Es geht dabei also um Lieferantenfinanzierung.
Es gibt keine allgemeingültige Definition zu Supply Chain Finance (kurz: SCF). Es wird oft auch als umgekehrte Form des Factorings bezeichnet.
Diese Art von Finanzierung kann eine Alternative zu herkömmlichen Krediten sein, da die Käufer ihre Zulieferer schneller und günstiger mit Liquidität versorgen können und diese sich somit eine teure Zwischenfinanzierung sparen.
Für wen eignet sich diese Art von Finanzierung?
Dieses System ist vor allem geeignet bei komplexen Wertschöpfungsketten, um liquide zu bleiben. Das betrifft besonders Großkunden und große Mittelständler mit einem Umsatz ab einer Milliarde Euro beziehungsweise einem Einkaufsvolumen ab 250 Millionen Euro pro Jahr.
Instrumente der Lieferantenfinanzierung
Der Regelfall: Reverse Factoring – mit Finanzierungspartner
Reverse Factoring wird auch als Supply Chain Finance im eigentlichen Sinne bezeichnet. Der Hauptunterschied zum klassischen Factoring liegt darin, dass hier der Käufer – und nicht der Lieferant – die Initiative ergreift. Grund dafür ist, dass die Bonität des Käufers meist besser ist als die des Zulieferers. Dies kann der Käufer nutzen, um zu einem besseren Zins zu finanzieren.
Gemeinsam mit einem Finanzierungspartner bietet der Kunde dem Zulieferer an, dass dieser seine Forderung gegen ihn an den Finanzierer verkauft. Der Lieferant erhält dafür frühzeitig vom Finanzierer das geschuldete Geld aus dem Kaufvertrag mit dem Kunden. Der Kunde wiederum bekommt vom Lieferanten ein Skonto und begleicht seine Rechnung später zum vereinbarten Zahlungstermin an den Finanzierer.
Indem der Lieferant auf Basis des besseren Ratings seines Kunden eine günstigere Finanzierung erhält, profitieren alle Beteiligten. Der sodann vereinbarte Zins liegt in der Regel zwischen der Bonität des Lieferanten und der des Kunden.
Man unterscheidet verschiedene Finanzierungspartner:
- Bank als Finanzierer: Das Bankinstitut kauft eine Forderung direkt über eine digitale Plattform an.
- Verschiedene Investoren als gemeinsame Finanzierer: Verschiedene Investoren finden sich über eine Plattform in einer Zweckgesellschaft zusammen. Diese kauft die Forderung zentral und finanziert den Kauf, indem sie an die Investoren Schuldverschreibungen verteilt.
Dynamic Discounting – ohne Finanzierungspartner
Es geht aber auch ohne Finanzierungspartner. Der Kunde und der Zulieferer vereinbaren gestaffelte Skontosätze. Das bedeutet: Je zeitiger eine Rechnung beglichen wird, desto höher ist der Skontosatz. Dynamic Discounting kann ebenfalls über eine digitale Plattform abgewickelt werden.
Voraussetzungen für Supply Chain Finance
- Bonität: Um mittels Supply Chain Finance die eigenen Zulieferer zu bezahlen, muss natürlich zum einem die Bonität des Käufers stimmen.
- Registrierung: Zum anderen müssen sich beide Vertragsparteien auf die Methode einlassen. Beide müssen sich auf einer entsprechenden digitalen Plattform registrieren und die Rechnung muss digital bereitgestellt werden.
Wie funktioniert Supply Chain Finance?
Der Regelfall ist, dass ein Plattformanbieter für diese Lieferantenfinanzierung eine Kooperation mit einem Finanzierungspartner eingeht und diese gemeinsam die Zahlung strukturieren (sogenanntes Reverse Factoring).
Eine digitale Plattform ist der optimale Ausgangspunkt, um die Transaktion abzuwickeln. Der Kunde und sein Zulieferer müssen sich beide auf der jeweiligen Plattform registrieren. Der Käufer lädt die Rechnung des Lieferanten hoch und verpflichtet sich, die Forderung zum vereinbarten Zahlungsziel zu bezahlen. Der Finanzierer kauft die offene Forderung gegen den Käufer ein. Der Lieferant wiederum erhält sofort den abgezinsten Kaufpreis vom Finanzierer. Der Plattformanbieter ist für Informationen und Zahlungsinstruktionen zuständig.
Vorteile von Supply Chain Finance
- Die Lieferanten können schnell und preiswert mit Liquidität versorgt werden.
- Supply Chain Finance ist ein geeignetes Finanzierungsinstrument bei knapper Liquidität.
- Die Verschuldung des Lieferanten wird reduziert. Er ist nicht auf einen Kredit oder eine eingeräumte Kontoüberziehung zur Zwischenfinanzierung angewiesen. SCF bietet weniger Risikokapital als langfristige Kreditverträge.
- Durch die sofortige Bezahlung gerät der Zulieferer weniger unter Zahlungsdruck und dem Kunden drohen weniger Ausfälle in ihrer Lieferkette.
- Der Käufer wiederum kann seine Zahlungstermine verlängern und liquide bleiben, ohne dass sein Lieferant in Zahlungsschwierigkeiten gerät.
- Der Lieferant erhält sofort den abgezinsten Kaufpreis. Auch für den Käufer wird der Zinsaufwand reduziert. Er erhält möglicherweise bessere Zahlungsbedingungen, zum Beispiel indem Skonto gewährt wird.
- Strategischer Vorteil: Der Käufer unterstützt seine wichtigen Zulieferer, indem die Bezahlung schnell und komplikationslos verläuft und stärkt somit die Bindung zum Lieferanten. Gleichzeitig stärkt der Käufer seine Verhandlungsposition, indem er eine sofortige Bezahlung anbieten kann.
- Die Prozesse laufen größtenteils digital und automatisiert ab. Elektronische Rechnungsstellung und Rechnungsbegleichung verlaufen standardisiert. Dadurch werden unternehmensinterne Prozesse vereinfacht. Der Aufwand ist folglich gering.
- Lieferanten müssen nicht mehr mit jedem Kunden einzeln frühzeitige Zahlungen gegen Skonto vereinbaren.
Nachteile der Lieferantenfinanzierung
- Der Markt dieser Lieferantenfinanzierung ist noch im Ausbau und nicht sehr transparent, da er weder öffentlich noch meldepflichtig ist.
- Es herrscht noch eine gewisse Unsicherheit über die konkrete Anwendung, aber auch über Begrifflichkeiten und den genauen Nutzen.
- Beide Vertragspartner müssen sich auf einer entsprechenden Plattform registrieren. Es reicht nicht, wenn nur einer die Finanzierungsform wählt.
- Fremdfinanzierung: Der Zulieferer wird nicht von seinem Kunden bezahlt.
Anbieter von Supply Chain Finance
Es gibt noch keinen Marktführer für Supply Chain Finance, da das Konzept noch neuartig ist und der Markt dafür noch wächst. Mit Blick auf die Zukunft macht es allerdings mehr Sinn, wenn sich diese Form der Lieferantenfinanzierung auf einige wenige Anbieter konzentriert.
Der Grund ist praktischer Natur: Jeder Lieferant hat mehrere Kunden und möchte sich nicht auf vielen verschiedenen Plattformen bewegen. Für ihn ist es einfacher, sich auf eine Plattform festzulegen. Wer als Marktführer das Rennen macht, wird sich daher noch zeigen.
Die Anbieter, die Lieferantenfinanzierung auf dem Markt bereitstellen, sind vor allem FinTechs mit innovativer Technik. FinTechs sind Unternehmen, die neuartige digitale Dienstleistungen im Bereich Finanzen anbieten.
Einige davon haben sich dazu entschlossen, mit Bankinstituten zu kooperieren, da die Banken als Finanzierungspartner oftmals den besseren Kundenzugang haben.
Die folgende Tabelle zeigt eine Vielzahl von Anbietern für Supply Chain Finance auf dem Markt:
Anbieter | Website |
---|---|
Banco | BANCO Supply Chain Finance Platform |
Basware | Finanzierungslösungen für die Lieferkette – Basware |
C2FO | Home – C2FO |
cflox | Supply Chain Finance | cflox GmbH |
Corcentric | Supply Chain Finance Solutions – Corcentric |
CRX Markets | Reverse Factoring CRX Markets |
Demica | Supply Chain Finance – Demica |
Elemica | Elemica Digital Supply Chain |
Greensill | What We Do – Greensill |
Kyriba | Supply Chain Finance with Kyriba | Kyriba |
Orbian | Unlock Working Capital – Orbian Supply Chain Finance |
PrimeRevenue | The Leader in Supply Chain Finance | PrimeRevenue |
SAP Ariba | Finanzmanagement der Lieferkette für strategische Verbindlichkeiten | SAP Ariba |
Standard Chartered | Supply Chain Financing | Standard Chartered (sc.com) |
Taulia | Warum Taulia? | Taulia |
Tradeshift | Supplier Financing for Early Invoice Payments | Tradeshift |
Traxpay | Supply Chain Finance – Traxpay |
Veefin | Veefin SCF – Leading supply chain finance software (infinisystem.com) |
Quelle: Eigene Recherche, Stand Februar 2021 |
SCF-Aufschwung durch Corona-Krise
Die Corona-Krise verhilft dieser Form von Finanzierung zum Aufschwung. Wie generell in wirtschaftlichen Krisenzeiten typisch, kann es oft zu Liquiditätsengpässen kommen und Lieferanten geraten unter Zahlungsdruck. Für SCF ist das eine geradezu ideale Ausgangslage. Denn genau da setzt das System an. Es hilft, Liquiditätsengpässe zu überwinden, indem die Lieferanten sofort bezahlt werden, die Kunden aber flexibel an den Finanzierer zahlen können.
Autor: Juliane Lohfink, Redaktion: Tina Mark
Veröffentlicht am 04.02.2021
Quellen und weiterführende Links
- Deutsche Bank – Mein Kunde ist meine Bank
- LBBW – Liquidität optimieren mit Supply Chain Finance
- Sparkasse – Lassen Sie die Bank Ihre Lieferanten bezahlen