Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung (FinStabDEV)
Ein neues Gesetz beschäftigt den deutschen Finanzmarkt: Die Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung, kurz: FinStabDEV. Darin ist geregelt, dass die Deutsche Bundesbank Zugriff auf Daten von Immobilienfinanzierungen erhalten soll, um Risiken bezüglich der Finanzstabilität zeitig zu erkennen. Welche Auswirkungen das auf die Finanzdienstleister hat, klären wir in diesem Ratgeber.
- Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherungsgesellschaften müssen die Daten zu privaten Immobilienfinanzierungen anonymisiert aufbereiten und zur Verfügung stellen.
- Ab dem Verordnungstag gibt es zwölf Monate Vorbereitungszeit.
- Ursprünglich sollte der Verordnungstag auf das Jahresende 2020 fallen. Aufgrund der Coronokrise wurde dieses Ziel jedoch nicht mehr prioritär verfolgt. Ein konkretes Datum ist aktuell unbekannt.
- Die Verpflichteten sollten daher unbedingt Zuständigkeiten für die Datenerhebung frühzeitig klären, damit die jeweiligen Fachbereiche und die IT umgehend mit der Arbeit beginnen können.
Was genau ist FinStabDEV?
Die FinStabDEV basiert auf dem Referentenentwurf zur „Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen durch die Deutsche Bundesbank“, den das Bundesministerium für Finanzen Ende 2019 vorgestellt hat.
Das Ziel ist es, einen umfänglicheren Datenzugriff (natürlich anonymisiert) über Wohnimmobilienfinanzierungen durch die Deutsche Bundesbank möglich zu machen. Die dazu erforderlichen Datenerhebungen können Datenlücken für Wohnimmobilienkredite schließen. Auf dieser Basis sollen mögliche Risiken für die Finanzstabilität zeitig erkennbar und eine Immobilienblase (Überbewertung von Immobilien) vermeidbar sein.
Der Kreis der Meldungspflichtigen umfasst deutsche Kreditinstitute und ausländische, die in Deutschland eine Zweigniederlassung führen, sowie Kapitalverwaltungs- und Versicherungsgesellschaften.
Vorgesehener Zeitplan
Finalisierung der FinStabDEV | 2. Quartal/ 3. Quartal 2020 |
Veröffentlichung der finalen Rechtsverordnung und Anordnung der Deutschen Bundesbank | 3. Quartal 2020 |
Veröffentlichung von Richtlinien und Rundschreiben | 3. Quartal/ 4.Quartal 2020 |
Erste Datenerhebung (ein Jahr nach der Anordnung) | Für das 3. Quartal 2021 (frühestens) |
Ab Inkrafttreten haben die Banken ein Jahr Zeit die Anforderungen umzusetzen. Der erste Stichtag für die Datenmeldung wäre somit Ende 2021. Quelle: BSM GmbH |
Geplant ist, dass die Verordnung am 31. Dezember 2020 in Kraft tritt. Ab diesem Zeitpunkt haben die Banken ein Jahr Zeit, die Anforderungen umzusetzen. Der erste Stichtag für die Datenmeldung wäre somit Ende 2021. Allerdings wurde bereits angedeutet, dass die Daten auch bis zu zwei Jahre rückwirkend zur Verfügung gestellt werden müssen.
Im Mai 2020 wurde jedoch bekanntgegeben, dass die Arbeiten an der Verordnung aufgrund der Corona-Krise nicht prioritär verfolgt werden. Ob der Zeitplan Ende 2020 beibehalten werden kann, war zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Wir halten Sie aber selbstverständlich auf dem Laufenden. (1)
Meldepflichtige Daten
In § 4 beinhaltet die FinStabDEV 19 meldepflichtige Informationen über die Kreditvergabestandards von privaten Wohnimmobilienfinanzierungen. Diese müssen bis zu zwei Jahre rückwirkend vorliegen und aufsichtsrechtlich an die Deutsche Bundesbank übermittelt werden. Nicht übermittelt werden sollen personenbezogene Daten zum Kreditnehmer (Verbraucher). Das bedeutet, dass die Daten anonymisiert aufbereitet werden.
Angaben zur Immobilie |
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Angaben zum Darlehen |
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Angaben zum Darlehensnehmer (anonymisiert) |
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Relationen / Quoten |
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Angaben zu bankinternen Risikozahlen |
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Quelle: § 4 FinStabDEV; die bank, 09/ 2020, „Die knappe Zeit bis zum Meldestichtag optimal nutzen“, Autor: Dan Rech, Seite 58-61 |
Zeitliche Vorgaben
Je nach vorgeschriebener Meldefrequenz sind unterschiedliche Meldestichtage maßgeblich. Für die Übermittlung der Daten verbleiben zehn Tage bis sechs Wochen, je nach Meldestichtag.
Monatliche Meldungen | Der jeweils letzte Tag des Monats | bis zum 10. Geschäftstag des Folgemonats |
Vierteljährliche Meldungen | 31. März 30. Juni 30. September 31. Dezember |
Bis 15. Mai Bis 15. August Bis 15. November Bis 15. Februar des Folgejahres |
Halbjährliche Meldungen | 30. Juni 31. Dezember |
Bis 15. August Bis 15. Februar des Folgejahres |
Jährliche Meldungen | 31. Dezember | Bis 15. Februar des Folgejahres |
Quelle: Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zu FinStabDEV |
Was bedeutet das konkret für Banken?
Vor allem die Kreditinstitute zählen zu den Meldungspflichtigen. Es sind Anpassungen im gesamten Kreditprozess für private Wohnimmobilien nötig.
Schwierigkeiten könnte es bereiten, den Marktwert aller Immobilien und die Zinssätze aller Darlehen innerhalb der zwölf Monate abzufragen. Eine andere Hürde, die berücksichtigt werden sollte: Die beschafften Informationen müssen so aufbereitet werden, dass sie in den Systemen sofort für die Aufsicht abrufbar sind.
Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die Banken die Informationen über Darlehen nicht immer fortlaufend ermitteln. Sie müssen also die Daten mit dem Datum des Darlehensabschlusses bzw. mit dem Datum des Meldetermins erstellen. Daten, die nicht in den Systemen vorliegen, müssen somit nacherfasst werden.
Der einmalige Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird im Referentenentwurf auf 1.366.572,69 Euro geschätzt.
Selten haben die Bankinstitute die Basisdaten für die erforderlichen Datenattribute bereits in der entsprechenden digitalen Form vorliegen. Das bedeutet, dass die Basisdaten zunächst den Anforderungen entsprechend aufgearbeitet werden müssen. Da dieser Prozess der Informationserhebung bzw. Informationsbeschaffung einiges an Zeit in Anspruch nehmen dürfte, sollte unbedingt rechtzeitig begonnen werden.
Das können Banken jetzt tun
Die Umsetzungszeit bis zur finalen Meldung wird ungefähr ein Jahr umfassen. Das kann beispielsweise in acht Monate Entwicklungsaufwand und vier Monate Testphase gesplittet werden.
Um die Anforderungen der Verordnung effizient neben dem alltäglichen Geschäftsbetrieb umsetzen zu können, können folgende Abläufe als Orientierung dienen:
Schritt 1: Klärung der Zuständigkeiten
Für die Umsetzung der FinStabDEV ist eine abteilungsübergreifende Arbeit unabkömmlich. Daher muss unbedingt vorab geklärt werden, wo und wie die erforderlichen Daten entstehen, wie diese am besten gespeichert werden und aufsichtskonform aufbereitet werden können.
Dieser Schritt betrifft zunächst die Mitarbeiter an der Schnittstelle zwischen Fachbereich und IT, denn – abgesehen vom fachlichen Wissen – ist auch technisches Know-how gefragt.
Vorteil für Sparkassen und Genossenschaftsbanken: Ihre IT-Dienstleister unterstützen sie, um eine zentrale Datenbasis zu erhalten.
Aber auch die Privatbanken können sich Hilfe in Form von externen Fachberatern suchen.
Schritt 2: Ablauf des Projekts
Fachliche Bewertung:
Zuerst muss festgestellt werden, welche Auswirkungen die FinStabDEV auf die eigene Bank hat und wie man diesen Anforderungen gerecht werden kann.
Technische Umsetzung:
Es muss analysiert werden, welche Informationen bereits in digitaler Form vorliegen. Als nächstes muss von der IT ein Maßnahmenkatalog entwickelt und abgearbeitet werden.
Schritt 3: Testphase
Nach Umsetzung der Maßnahmen sollte in eine Testphase übergegangen werden. Hier kommt nun die Meldesoftware zum Einsatz. Damit wird getestet, ob die Meldungen formrichtig den Anforderungen entsprechen. Aber ganz wichtig ist auch, dass die Daten in den Quellsystemen mit der Meldung stimmig sind. Das gestaltet die Testphase aufwendig. Aus diesem Grund ist die Testphase auch so bedeutsam: Umso zeitiger Probleme entdeckt werden, umso einfacher können sie gelöst werden. Der Aufwand zahlt sich somit auf jeden Fall aus!
Kritik und Probleme
Parallelen zu Analytical Credit Dataset (AnaCredit)
FinStabDEV wird jetzt schon die kleine Schwester von AnaCredit genannt. Das weckt Sorge bei den Betroffenen, wenn man an das Chaos denkt, für das diese Verordnung 2018 bei den europäischen Banken gesorgt hat.
Ziel von AnaCredit ist es, granulare Kreditdaten über die nationalen Notenbanken an die Europäische Zentralbank (EZB) zu melden. Bei der Umsetzung stellte sich jedoch heraus, dass viele benötigte Informationen nicht vorlagen und auch die Beschaffung eben dieser Informationen von einigen Hindernissen geprägt war. Auch im Jahr 2020 – also zwei Jahre nach der Verordnung – gibt es noch Verbesserungsbedarf.
Was die Kreditinstitute daraus lernen können: Sich unbedingt frühzeitig mit der Umsetzung der FinStabDEV auseinandersetzen und den Aufwand nicht unterschätzen!
Stellungnahme der Bankenbranche
Bis Ende Januar 2020 konnte zu dem Entwurf Stellung genommen werden. Einer der Kritikpunkte der Bankenverbände war die Unbestimmtheit des Entwurfes. An einigen Stellen sei er schlicht zu unkonkret. Man wünscht sich eine konkrete Auflistung der Anforderungen, die die Banken abarbeiten können. Der momentane Entwurf überlässt den Banken die Ausarbeitung, welche Informationen nötig sind, um den Anforderungen zu genügen. Das stelle einen enormen Arbeitsaufwand dar.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der zeitliche Rahmen. Zwölf Monate von der Verkündung der Verordnung bis zum Meldestichtag seien knapp bemessen. (2)
Noch ist allerdings nichts in Stein gemeißelt. Ziel der Möglichkeit solcher Stellungsnahmen ist es, eventuelle Fehler und Unstimmigkeiten zu erkennen und gegebenenfalls mit Veränderungen im Entwurf darauf zu reagieren.
Coronakrise
Wie bereits geschildert, wird die Umsetzung der FinStabDEV eine Mehrbelastung für die Banken darstellen. Während der Covid-19-Pandemie sind die Kreditinstitute bereits vollends damit ausgelastet, die Wirtschaft mit Krediten zu unterstützen und die Liquidität am Laufen zu halten.
Aus diesem Grund hat sich das Bundesministerium für Finanzen dazu entschlossen, nicht dringende Regulierungsmaßnahmen für die Kreditwirtschaft zu verschieben. In einer Pressemittelung vom 15.05.2020 der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wurde mitgeteilt, dass die Arbeiten an der Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung momentan nicht länger prioritär verfolgt werden.
Fazit
Die Umsetzung der neuen Verordnung wird den Finanzdienstleistern einiges an Arbeitsaufwand und Ressourcen abverlangen. Der Zeitdruck von zwölf Monaten Umsetzungszeit macht die Lage für die Kreditinstitute nicht besser. Eine frühzeitige strukturierte Planung ist daher absolut zu empfehlen. Inwieweit sich die Ausfertigung der FinStabDEV aufgrund der Coronakrise noch verzögert, ist ungewiss. Wir werden Sie aber selbstverständlich diesbezüglich auf dem Laufenden halten.
Autor: Juliane Lohfink, Redaktion: Tina Mark
Veröffentlicht am 16.12.2020
Quellen und weiterführende Links
(1) CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag – Kreditvergabe der Banken muss gestärkt werden
(2) Bundesfinanzministerium, die Deutsche Kreditwirtschaft – Stellungnahme: Konsultation des Referentenentwurfs der BMF-Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen durch die Deutsche Bundesbank zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Finanzstabilitätsgesetz