Die Unternehmensinsolvenz
Eine Unternehmensinsolvenz zieht, im Gegensatz zu einer Privatinsolvenz, wesentlich weitere Kreise. Die Privatinsolvenz ist für die betroffene Person und die Familie ein drastischer Einschnitt. Bei einer Unternehmensinsolvenz sind allerdings noch deutlich mehr Personen betroffen.
Neben den Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze massiv gefährdet sind, trifft eine Unternehmensinsolvenz auch die Lieferanten und Kunden der Firma.
Die rechtlichen Grundlagen für eine Unternehmensinsolvenz, auch als Regelinsolvenz bekannt, finden sich in der Insolvenzordnung. Diese trat am 1. Januar 1999 in Kraft.
- Unternehmensinsolvenzen treffen nicht nur das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern, sondern bspw. auch Kunden und Lieferanten.
- Kann ein Unternehmen mehr als 90 Prozent seiner offenen Rechnungen nicht mehr begleichen, ist es zahlungsunfähig.
- Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzantrag notwendig, der vom Unternehmen oder den Gläubigern gestellt werden kann.
- Das verarbeitende Gewerbe ist am häufigsten von Insolvenzen betroffen.
Die Ursachen einer Unternehmensinsolvenz
Im Grund liegen die Ursachen für eine Insolvenz, in der früheren Sprachregelung auch Konkurs genannt, auf der Hand. Die Firma hatte mehr Ausgaben zu bestreiten, als am Ende des Tages Einnahmen in den Büchern standen. Kann ein Unternehmen mehr als 90 Prozent seiner offenen Rechnungen nicht mehr begleichen, ist die Rede von Zahlungsunfähigkeit.
Drohende Zahlungsunfähigkeit zeichnet sich ab, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit absehbar ist. Der Zeitraum einer drohenden Zahlungsunfähigkeit darf zwölf Monate nicht übersteigen.
Als dritter Grund für eine Insolvenz gilt die Überschuldung. Damit beschreibt das Gesetz den Zustand, dass der Verschuldungsgrad durch den normalen Geschäftsbetrieb nicht mehr aufgehoben werden kann.
Kredit für Selbstständige und Firmen
Regelinsolvenz – Ablauf der Unternehmensinsolvenz
Unter Regelinsolvenz ist das Insolvenzverfahren für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler zu verstehen. Die nachfolgende Grafik schildert den Ablauf einer Unternehmensinsolvenz. Es kann erst beginnen, wenn ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt und konkrete Voraussetzungen erfüllt werden. Bestimmte Unternehmen müssen bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen, andere haben lediglich die Möglichkeit dazu.
Der Insolvenzantrag
Der Insolvenzantrag kann vom Unternehmen selbst, aber auch von einem Gläubiger gestellt werden. Das zuständige Gericht prüft sowohl den Antrag als auch die vorhandenen Vermögenswerte. Liegt eine der drei oben genannten Ursachen dem Insolvenzantrag zugrunde, gibt das Gericht dem Antrag in der Regel statt.
Voraussetzung ist normalerweise, dass Vermögenswerte, also die Insolvenzmasse, den Wert von 3.000 Euro übersteigen. Zur Insolvenzmasse zählen nicht nur Gegenstände, sondern auch offene Forderungen gegen Auftraggeber. Ist dieser Sachverhalt nicht gegeben, kann die Firma einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten stellen, damit das Insolvenzverfahren eingeleitet werden kann.
Reichen die Vermögenswerte nicht aus, um mindestens die Verfahrenskosten zu decken und die Stundung wird abgelehnt oder nicht beantragt, weisen die Gerichte den Insolvenzantrag mangels Masse ab.
Das Insolvenzverfahren
Wurde der Antrag auf Unternehmensinsolvenz angenommen, setzt das zuständige Gericht einen Insolvenzverwalter ein, der die Geschäfte weiterführt. Im Rahmen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ein Insolvenzplan erstellt, welcher vorsieht, wie das Unternehmen wieder saniert werden kann. Grundlage für den Insolvenzplan ist die Insolvenzordnung.
Es können jedoch von der Insolvenzordnung abweichende Regelungen getroffen werden, beispielsweise die Absonderung bestimmter Güter zur Befriedigung der Ansprüche bestimmter Gläubiger.
Der Insolvenzplan bildet den Ist-Zustand der Firma ab und definiert bestimmte Gläubigergruppen. Die Gruppen teilen sich in absonderungsberechtigte Gläubiger, Gläubiger ohne besondere Sicherung der Ansprüche und Arbeitnehmer.
Absonderungsberechtigte Gläubiger haben besondere Sicherheiten gestellt bekommen, die außerhalb der Insolvenzmasse liquidiert werden können, um die Ansprüche dieser besonderen Gläubiger gesondert gerecht zu werden.
Nach Erstellung des Insolvenzplans wird dieser in einer Besprechung bei Gericht den Gläubigern, Arbeitnehmern (gegebenenfalls durch den Betriebsrat vertreten), dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter vorgestellt.
Unternehmensinsolvenzen nach Branche und Unternehmensalter
Fristen und Verantwortlichkeiten (Infografiken)
Vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an muss innerhalb von drei Wochen beim zuständigen Gericht der Insolvenzantrag gestellt werden. Verstreicht diese Frist, machen sich die dafür zuständigen Organe der Firma des Straftatbestandes der Insolvenzverschleppung schuldig.
In der Haftung ist bei einer juristischen Person der Geschäftsführer oder Vorstand, bei einem Personenunternehmen der Inhaber. Übersteigt die Strafe für Insolvenzverschleppung 90 Tagessätze, gilt der Verantwortliche als vorbestraft. Darüber hinaus machen sich die Geschäftsführer durch die Versäumnis den Gläubigern gegenüber schadensersatzpflichtig.
Geschäftsführer sind auch persönliche haftbar, wenn sie nach Eintritt der Insolvenzreife noch Verträge mit Dritten schließen.
Warum gehen viele Insolvenzanträge verspätet ein?
Die Gründe für eine verspätete Insolvenzmeldung liegen laut Euler Hermes, einem Kreditversicherer, meist in Fehlern des Managements. Die nachfolgende Grafik zeigt die häufigsten Fehleinschätzungen auf:
Die Einschätzung, wie sie in den ersten drei Punkten des Diagramms zu finden ist, zeigt, dass hier die Verantwortlichen beinahe blauäugig mit einer sich anbahnenden Zahlungsunfähigkeit als Vorläuferin der Insolvenz umgehen.
Insolvenzen in Deutschland in absoluten Zahlen
Die nachfolgende Grafik belegt, wie viele Unternehmen, aber auch Verbraucher, in der Zeit zwischen Oktober 2014 und Oktober 2015 insolvent wurden.
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zeigte sich als relativ stabil und pendelte im Untersuchungszeitraum um die 2.000 Insolvenzanträge pro Monat.
Besonderheit bei Personengesellschaften
Droht einer Personengesellschaft, beispielsweise einem Handwerker, die Insolvenz, kann er das Gewerbe abmelden. In diesem Moment greift die Regelinsolvenz nicht mehr, er kann einen Antrag auf Privatinsolvenz einreichen.
Damit besteht nach sechs Jahren wieder die Möglichkeit auf einen schuldenfreien Neustart. Die Abmeldung des Gewerbetriebes erspart dem ehemaligen Unternehmer nun die Abwicklung durch einen Insolvenzverwalter.
Besonderheiten bei juristischen Personen
Die Besonderheit bei einer juristischen Person, einer GmbH oder AG, liegt weniger im Insolvenzverfahren, als vielmehr in den Risiken für die ausführenden Organe, sprich Geschäftsführer und Vorstände.
Der Paragraf 35, Abs. 1 der Gewerbeordnung hält für diesen Personenkreis ein besonderes Bonbon bereit: „Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.“
Dieser Sachverhalt ist laut herrschender Rechtsprechung erfüllt bei
- Missachtung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten, sprich offene Zahlungen in diesen Bereichen
- Eidesstattlichen Versicherung über das Vermögen (Haftbefehl zur Erzwingung der Erklärung)
- Fehlender Leistungswille und kein berufliches Verantwortungsbewusstsein
- Fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (keine finanziellen Mittel)
- Laufende Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren
Gerade die Sozialversicherungen leiten immer wieder Gewerbeverbotsverfahren für ehemalige Vertretungsberechtigte einer Firma ein. Während eines laufenden Insolvenzverfahrens darf allerdings kein Gewerbeverbotsverfahren eingeleitet werden (VG Oldenburg vom 14.07.2008 (12 B 1781/08).
Geschäftsführer einer GmbH sind in einer besonders kritischen Situation. Bei offenen Beiträgen zur Sozialversicherung haben die Träger die Möglichkeit, die offenen Beiträge im Rahmen eines Zivilverfahrens aus dem Privatvermögen des Geschäftsführers einzuklagen.
Die Arbeitnehmer bei der Unternehmensinsolvenz
Ein besonderer Fokus liegt bei einer Unternehmensinsolvenz natürlich auf den Arbeitnehmern. Zunächst einmal sind sie dazu verpflichtet, ihrer Tätigkeit weiter nachzugehen. Im Gegenzug haben Arbeitnehmer den Anspruch auf ihren Lohn, eventuelle Gratifikationen oder Sonderzahlungen, sofern diese im Arbeitsvertrag geregelt sind.
Der Insolvenzverwalter hat jedoch auch das Recht, Arbeitnehmer freizustellen. Häufig entfällt in diesem Fall die Lohnfortzahlung mangels vorhandener Liquidität. Die offenen Löhne und Gehälter gehören dann als Masseverbindlichkeit zu der Gesamtforderung gegen das insolvente Unternehmen.
Damit aus einer Unternehmensinsolvenz nicht zahlreiche Privatinsolvenzen der Arbeitnehmer resultieren, können die Arbeitnehmer sogenanntes Insolvenzgeld beantragen. Diese Leistung wird von der öffentlichen Hand, der Bundesagentur für Arbeit, gezahlt. Die Leistungsdauer ist jedoch auf drei Monate beschränkt. Als Lohnersatzleistung fällt auf das Insolvenzgeld keine Einkommensteuer an. Bezugsberechtigt sind alle
- Angestellten
- Arbeiter
- Auszubildende
- Praktikanten
- Geringfügig Beschäftigte (auch Schüler und Studenten)
Die Finanzierung des Insolvenzgeldes erfolgt durch eine Arbeitgeberumlage. Damit ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht, muss das Unternehmen im Handelsregister oder Gewerberegister gelöscht sein, sprich, die Tätigkeit eingestellt haben. Der Anspruch auf Insolvenzgeld besteht auch, wenn das Verfahren mangels Masse abgelehnt wurde.
Kündigung während des Insolvenzverfahrens
Ein Insolvenzverfahren bedeutet für die Arbeitnehmer eine von ihrem Vertrag möglicherweise abweichende Kündigungsfrist. Der Insolvenzverwalter hat das Recht, das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen. Diese Regelung gilt abweichend von Tarifverträgen oder Individualverträgen.
Die Drei-Monats-Frist hat auch Bestand, wenn ein Tarif- oder Einzelvertrag eine Unkündbarkeit, beispielsweise auf der Grundlage der Dauer der Betriebszugehörigkeit, vorsieht.
Ebenso ist eine verkürzte Kündigung zulässig. Wurde vom vorläufigen Insolvenzverwalter beispielsweise im Januar zum 31.8. gekündigt, kann der endgültige Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens durchaus im Februar zum 31.5. den Arbeitsvertrag aufheben. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall den entgangenen Lohn für die Zeit vom 1.6. bis 31.8. einklagen. Die Erfolgschancen sind allerdings gering, da der Lohn in die Summe der Forderungen gegen das Unternehmen eingeht.
Betriebsbedingte Kündigungen sind ebenfalls möglich. Gründe dafür können die Stilllegung des Betriebes, die Schließung von Teilbereichen (BAG, Urteil v. 16. 5. 2002, NZA 2003 S. 93) oder der angestrebte Verkauf durch den Insolvenzverwalter sein. Hier ist der Sachverhalt ausreichend, dass der Käufer kein Konzept für eine Weiterbeschäftigung vorsieht (BAG, Urteil v. 20. 3. 2003, NZA 2003 S. 1027).
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Der Interessenausgleich
Kommt es zu einschneidenden Veränderungen im Betrieb, die auch die Entlassung von Mitarbeitern vorsehen, treffen Insolvenzverwalter und Betriebsrat einen Interessenausgleich für die namentlich benannten Mitarbeiter, die eine betriebsbedingte Kündigung erhalten.
Allerdings wird hier der Spieß herumgedreht. Die Insolvenzordnung sieht in diesem Fall eine Beweiserleichterung für das Unternehmen vor (§ 125 InsO). Der Mitarbeiter muss zur Erlangung des Interessenausgleichs darlegen und beweisen, dass seine Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).