Die Privatinsolvenz
Das Privatinsolvenzverfahren stellt das Ende eines schmerzlichen Prozesses für einen betroffenen Verbraucher dar. Die Privatinsolvenz steht zahlungsunfähigen Personen, die keiner wirtschaftlich selbstständigen Tätigkeit nachgingen, offen.
Seit dem Jahr 2004 ist es in Deutschland möglich, unter Umständen bereits nach 36 Monaten, regulär jedoch nach 72 Monaten, schuldenfrei zu sein. Bis es zu einer privaten Insolvenz kommt, können aber auch andere Wege gefunden werden.
- Mithilfe der Privatinsolvenz werden zahlungsunfähige Privatpersonen wieder schuldenfrei.
- Mit einer Privatinsolvenz geht ein Schufa-Eintrag einher, was Vertragswechsel und Kreditaufnahmen verhindert.
- Arbeitgeber werden über Insolvenzverfahren informiert.
- Wird Zahlungsunfähigkeit festgestellt, erfolgt zunächst der Versuch einer außergerichtlichen Einigung.
- Kommt es zu keiner Einigung, stellt der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens.
Entwicklung der Priavtinsolvenzen in Deutschland
Seit 2010 ist die Anzahl der Privatinsolvenzverfahren in Deutschland kontinuierlich gesunken. Für das Jahr 2019 meldete das Statistische Bundesamt 2020 insgesamt 62.632 laufende Insolvenzverfahren gegen Privatpersonen.
Die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland wirkt gewaltig, doch dieser Wert relativiert sich bei der Betrachtung der überschuldeten Privatpersonen. Die nachfolgenden Statistik der Creditreform spiegelt die Anzahl überschuldeter Personen im Verlauf seit 2004 wider. In den Angaben sind die Privatinsolvenzen zwar einberechnet, allerdings übersteigen diese Werte deutlich die der ersten Grafik. In Deutschland wurden 2020 6,85 Millionen überschuldete Personen gemeldet. Diese Werte entwickelten sich in den letzten Jahren sogar gegen den Trend der sinkenden Privatinsolvenzen. Die Creditreform veröffentlicht diese Angaben jährlich in ihrem SchuldnerAtlas.
Erläuterungen zur Privatinsolvenz
Die Privatinsolvenz ermöglicht es Privatpersonen, im Falle der Zahlungsunfähigkeit einen sauberen Schnitt zu machen. Die Privatinsolvenz steht offen, für
- Personen die keiner wirtschaftlich selbstständigen Tätigkeit nachgehen
- Selbstständige, gegen die keine Ansprüche aus Beschäftigungsverhältnisse bestehen und wenn die Zahl der Gläubiger geringer als 20 Anspruchsteller ausfällt.
Der Vorteil der Privatinsolvenz liegt darin, dass der Schuldner nach Ablauf einer bestimmten Frist, die wir an anderer Stelle aufzeigen, vollständig schuldenfrei ist, auch wenn er seine Verbindlichkeiten nicht in voller Höhe zurückgeführt hat.
Die Privatinsolvenz geht mit einem Schuldnerschutz einher. Weder muss eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden, noch kann der Gläubiger in das Vermögen des Schuldners vollstrecken lassen.
Kredite ohne SCHUFA
Zur Rückführung der Schulden steht nur der Teil des Einkommens zur Verfügung, der im Rahmen der Zwangsvollstreckung gemäß der Pfändungstabelle an den Gläubiger abgeführt werden muss. Von der Pfändung sind bei Selbstständigen die zur Ausübung ihrer Tätigkeit notwendigen Arbeitsmittel ausgenommen. Dazu zählt bei einem Handwerker beispielsweise das Werkzeug oder bei einem Grafiker der Computer.
Pro und Contra zur Privatinsolvenz
Eine Privatinsolvenz bietet Vor-, aber auch Nachteile für die betroffene Person.
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Am Ende der Wohlverhaltensphase sind die Verbindlichkeiten der Schuldner getilgt. | Der Arbeitgeber ist über das Insolvenzverfahren informiert. |
Überraschende Pfändungen oder Gehaltspfändungen entfallen. | Es erfolgt ein Schufa-Eintrag. |
Die Pfändungsgrenzen sichern einen Mindestlebensstandard. | Vertragswechsel wie Strom oder Telefon sind aufgrund des Schufa-Eintrags nicht möglich. |
Spätestens nach 72 Monaten ist ein Neustart möglich. | Wechsel der Mietwohnung aufgrund des Schufa-Entrags ist erschwert. |
Eingeschränkte Konsummöglichkeiten, keine Kreditaufnahme möglich. |
Wie das Insolvenzverfahren genau funktioniert, beschreiben wir im Folgenden.
Die vier Schritte bis zum privaten Insolvenzverfahren
Ehe auf die vier grundlegenden Schritte bis zum privaten Insolvenzverfahren eingegangen wird, finden Sie nachfolgend den Ablauf einer Privatinsolvenz grafisch aufbereitet. Jedes Insolvenzverfahren bei Privatpersonen beginnt klassischerweise damit, dass ein Verbraucher Schulden hat und sich in die Schuldnerberatung begibt.
1. Die außergerichtliche Einigung
Wird bei einem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit festgestellt, greift zunächst der Versuch einer Einigung bzw. Schuldenbereinigung zwischen Schuldner und Gläubigern. Dieses Verfahren findet außergerichtlich statt.
Der Schuldner legt seinen Gläubigern einen Zahlungsplan vor, der beispielsweise Ratenzahlung, Stundung oder Ähnliches berücksichtigt. Dieser Zahlungsplan muss in Zusammenarbeit mit einem Experten, Schuldnerberatungsstelle oder Rechtsanwalt, erstellt werden.
Die Gläubiger müssen nun über die Annahme des Zahlungsplans entscheiden.
Kommt es zu keiner Einigung, stellt der Schuldner nun einen Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens auf der Grundlage des § 305 der Insolvenzordnung (InsO).
Für die Eröffnung muss er folgende Unterlagen vorlegen:
- Den Antrag zur Eröffnung des Verfahrens
- Den Nachweis, dass eine erste Übereinkunft mit den Gläubigern gescheitert ist
- Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung nach 287 Insolvenzordnung (InsO)
- Eine genaue Aufstellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse
- Eine Liste der Gläubiger mit den geschuldeten Verbindlichkeiten
Folgendes Video vom ARD magazin plus1 schildert an Beispielen aus dem realen Leben wie eine außergerichtliche Einigung funktionieren kann und was der Weg in die Privatinsolvenz bedeutet (Start ab 1:00 min)
2. Der Schuldenbereinigungsplan
Vor der Eröffnung des privaten Insolvenzverfahrens wird noch einmal der Versuch unternommen, im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung das Verfahren abzuwenden. Dieses Einigungsverfahren findet, auch wenn außergerichtlich, unter Mitwirkung des Gerichts statt. Der wesentliche Unterschied zum ersten Vergleichsversuch liegt darin, dass das Gericht eventuell fehlende Gläubiger durch einen Gerichtsbeschluss ersetzen kann.
Es wird in diesem Verfahren ein Schuldenbereinigungsplan erstellt. Dieser basiert auf der Höhe der Verbindlichkeiten einerseits, auf den Einkommens- und Vermögenswerten sowie der familiären Situation des Schuldners andererseits. Ziel ist es, durch eventuelle Stundungen oder einen teilweisen Forderungsverzicht eine Entschuldung zu erreichen. Bestandteil des Plans ist auch, ob Pfändungen oder Bürgschaften der Gläubiger berücksichtigt werden.
Dieser Plan geht schriftlich an die Gläubiger, die nun einen Monat Zeit haben, über die Annahme zu entscheiden. Während dieser Zeit ruht das Insolvenzverfahren. Erfolgt kein Widerspruch, gilt der Entschuldungsplan als angenommen.
Stimmt diesem Plan mehr als die Hälfte der Gläubiger zu oder besitzen die zustimmenden Gläubiger mehr als 50 Prozent der Forderung, verfügt das Gericht per Beschluss die Annahme des Plans. Der Schuldenbereinigungsplan ist damit für alle Parteien bindend.
Bezüglich der Annahme dieses Plans gibt es jedoch zwei Ausnahmen:
- Der Gläubiger wird durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt, als durch ein Privatinsolvenzverfahren.
- Ein Gläubiger wird gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt.
Kommt es zur Annahme, sind alle im Plan enthaltenen Punkte für alle Beteiligten rechtsverbindlich. Sowohl der Antrag auf Eröffnung des privaten Insolvenzverfahrens als auch der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung sind nichtig und werden zurückgenommen. Was aber, wenn der Schuldenbereinigungsplan abgelehnt wird?
3. Die Eröffnung des vereinfachten privaten Insolvenzverfahrens
Grundlage hierzu bilden die § 311 ff. InsO. Zunächst bestellt das Gericht einen Insolvenzverwalter. Dieser prüft, welche Eigentumsbestandteile des Schuldners (Insolvenzmasse) verwertet werden können. Aus dem Erlös werden die Ansprüche der Gläubiger (teil-)befriedigt.
Der Insolvenzverwalter darf jedoch nicht Gegenstände verwerten, welche bereits verpfändet sind. Hier steht dem jeweiligen Gläubiger das alleinige Verwertungsrecht zu.
Eine Gehaltsabtretung hatte früher nur bis zu zwei Jahre nach Beendigung des privaten Insolvenzverfahrens Gültigkeit. Der entsprechende Paragraf 114 InsO ist jedoch inzwischen weggefallen und wurde durch die Neuregelung der privaten Insolvenz durch die Paragrafen 287 InsO, 287a InsO und 294 InsO ersetzt.
Auch wenn noch nicht alle Ansprüche erfüllt wurden, konnten die Gläubiger nicht mehr auf das Gehalt des Schuldners zugreifen.
4. Die Restschuldbefreiung
Zunächst muss der Schuldner eine Lohn- und Gehaltsabtretung zu Gunsten des Treuhänders eingehen. Diese gilt für die sogenannte „Wohlverhaltensphase“ von sechs Jahren. Die pfändbaren Gehaltsanteile gibt der Treuhänder an die Gläubiger weiter. In dieser Zeit ist das sonstige Vermögen des Schuldners vor weiteren Zwangsvollstreckungen geschützt.
Die Restschuldbefreiung kann vom Gericht jedoch auch abgelehnt werden. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Der Schuldner hat innerhalb der vergangenen zehn Jahre schon einmal Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung gestellt.
- Der Schuldner hat falsche Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht.
Die „Wohlverhaltensphase“ legt dem Schuldner einige Vorgaben auf.
- Er einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich, im Fall einer Arbeitslosigkeit, nachhaltig und überprüfbar um einen Arbeitsplatz bemühen.
- Erbt der Schuldner, muss er die Hälfte des auf ihn anfallenden Erbes an den Treuhänder zur Weiterverteilung an die Gläubiger aushändigen.
- Jeder Wohnsitzwechsel muss dem Gericht und dem Treuhänder unverzüglich angezeigt werden. Gleiches gilt auch für einen Arbeitsplatzwechsel.
- Der Schuldner darf keinerlei Sonderzahlungen an einen Gläubiger leisten. Alle Zahlungen dürfen ausschließlich über den Treuhänder erfolgen.
Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase erteilt das Gericht die „Restschuldbefreiung“. Alle weiteren offenen Forderungen gelten als getilgt, die Gläubiger haben keine weiteren Ansprüche mehr. Voraussetzung ist, dass der Schuldner während der Wohlverhaltensphase den auferlegten Vorgaben nachgekommen ist.
Nachwehen nach der Wohlverhaltensphase
Nicht jeder weiß, dass es mit der Wohlverhaltensphase noch nicht getan ist. Tatsächlich bedeutet die Privatinsolvenz einen finanziellen Hemmschuh für neun Jahre. Dahinter steckt die Schufa, die für weitere drei Jahre einen negativen Eintrag über den Betroffenen führt.
Diesen Eintrag muss die Schufa nach Ablauf dieser Zeit löschen. Um das zu überprüfen, steht es jedem Bürger frei, kostenfrei eine Auskunft von der Schufa abzufordern.
Surftipp: Zum Ratgeber über die Schufa
Die Reform des Insolvenzrechts
Das Insolvenzrecht wurde per 1. Juli 2014 reformiert. Betroffene Haushalte können jetzt bereits nach 36 Monaten die Restschuldbefreiung erhalten. Voraussetzung ist, dass sie in dieser Zeit mindestens 35 Prozent der Verbindlichkeiten zurückgeführt haben.
Hinzu kommen die Kosten für das Insolvenzverfahren, Gerichtskosten und Auslagen für den Treuhänder zu ihren Lasten.
Schaffen die Schuldner die 35-Prozent-Klausel nicht, sie übernehmen aber die Kosten für das Verfahren, erteilt das Gericht die Restschuldbefreiung nach fünf Jahren.
Greift keine der beiden Voraussetzungen, gilt weiter die Frist von sechs Jahren.
Autor: Uwe Rabolt
Veröffentlicht am 05.02.2016, letztes Update am 01.12.2020